Hinterfrage deine Rolle und Haltung als ausländischer Volontär!
Wie du siehst, beginnt ein sinnvoller Volunteering-Aufenthalt immer bei dir und deiner Selbstreflexion. Du hast nun geklärt, dass für dich im Vordergrund die Uneigennützigkeit steht. Aber gute Gedanken bedeuten nicht gleich gutes Handeln oder ein gutes Verhalten der Gastregion gegenüber. In diesem Tipp geht es darum, ggf. unbewusste Haltungen aufzudecken. Hast du dich einmal gefragt, wie du deine eigene und „fremde“ Kulturen betrachtest? Wie du anderen Menschen, anderen Kulturen begegnest? Wie du dich dabei fühlst? Wie schätzt du deinen Einsatz, deine Rolle in der Gastregion ein?
Die meiste öffentliche Kritik richtet sich zwar gegen Veranstalter und Projekte von Freiwilligenarbeit, doch es gibt in genau diesem Punkt auch laute Stimmen gegen das Verhalten von Volontären. Die des anonymen Instagram Account „Barbie Savior” ist wohl die lauteste unter ihnen. Mittels Karikaturen stellen sie an den Pranger, dass europäische Volontäre Selfies mit verwundbaren Kindern machen, diese in ihren sozialen Netzwerken teilen und sich dann wie Weltretter fühlen. In den Medien werden hierfür auch Worte wie „Selbstbeweihräucherung“ genutzt. Das mag zutreffen, wenn junge Leute eine Kombi-Reise aus Party am Strand und zwei Wochen Aufenthalt in einem Waisenhaus buchen. Ansonsten ist diese Kritik jedoch als recht radikalsatirisch und zugespitzt einzuordnen.
Sie fußt allerdings auch auf einem ernsten Hintergrund, der sich meist im Unterbewusstsein abspielt. Es geht dabei um Vorurteile gegenüber ärmeren Regionen, um die Selbstwahrnehmung weißer Europäer, die in diese Regionen fahren, sie als „unterentwickelt“ konstatieren und glauben, dass uns alle um unseren westlichen Lebensstil beneiden. Das ist unser koloniales Erbe, diese „weiße Überheblichkeit“. Bestimmt klingt das für dich überspitzt und du ordnest dich hier nicht ein. Aber ungefragt verwundbare Menschen – und das ist besonders in Entwicklungsländern der Fall – zu fotografieren, zeugt nicht unbedingt von einer Begegnung auf Augenhöhe. Laut einigen Kritikern fühlen sich viele Einheimische aufgrund solches Verhaltens und dem permanenten Wechsel der westlichen Volontäre in ihrem Alltag gestört. Aber nach meinen Erfahrungen freut sich die Gastregion auch über das ausländische Interesse. Es kommt eben darauf an, wie wir uns verhalten, wie wir die Menschen betrachten und uns einbringen.
Mein Tipp ist daher, dir als allererstes bewusst zu machen, dass es ein Privileg ist, reisen und vor allem Geld fürs Arbeiten bezahlen zu können. Sei außerdem zurückhaltend und bescheiden in deiner Rolle als ausländischer Gast und mach aber aus den Menschen keine Exoten oder Fremde, das schafft nur Distanz. Der vorausgegangene Tipp, dich zuvor intensiv mit der Gastregion auseinanderzusetzen, schafft auch hier wieder Abhilfe. Denn Wissen besiegt Vorurteile und postkoloniale Klischees. Konzentriere dich vollends auf die zwischenmenschliche Begegnung vor Ort, sei ganz da, statt noch mehr Armutstourismus in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Und bleib auf dem Boden der Tatsachen. Um es drastisch zu formulieren: Du kannst helfen, nicht aber die Welt retten.
Linktipp:
http://www.glokal.org/publikationen/mit-kolonialen-gruessen/