Verzichte auf Kinderhilfsprojekte in Waisenhäusern!
Du möchtest deinen Volunteering-Aufenthalt (in einer Einrichtung) mit Kindern absolvieren? Das ist zunächst einmal unproblematisch und oft auch sinnvoll. Du solltest aber unbedingt darauf achten, dass die Heranwachsenden abends wieder zu ihren Familien gehen können. Warum?
Bezüglich der temporären Arbeit in Waisenhäusern oder sog. Residential Care Centern gibt es eine lange Liste mit scharfer Kritik, dessen Überprüfung sich zum Teil schwer gestaltet. Der erste Kritikpunkt ist aber auch ohne eine solche Überprüfung einleuchtend und logisch: Es gibt sowohl Kurz- als auch „Langzeit“-Programme für die Arbeit mit Kindern. Doch auch Langzeitprogramme umfassen zumeist maximal ein Jahr. Kinder brauchen jedoch Bezugspersonen und Vorbilder. Ständige Wechsel von ihnen – also in dem Falle Volontäre, die nur ein paar Wochen oder Monate bleiben – traumatisieren sie, beeinträchtigen ihr Sozialverhalten. Wenn du mit Kindern Hausaufgaben machst oder ihnen ein paar Stunden am Tag Englisch beibringst, sind die Wechsel nicht so schlimm, aber wenn du in einer Einrichtung, in der die Kinder aufwachsen, eine Verantwortung tragende Bezugsperson darstellst, wird die Beziehung zu den Kindern intensiver und kann daher großen Schaden anrichten.
Die größte und verheerendste Kritik richtet sich jedoch gegen die Einrichtungen selbst. Pseudo-Waisenhäuser wurden aus dem Boden gestampft, nur um den größer werdenden Markt bedienen zu können. Die Folge: Waisenkinder sind oft gar keine Waisenkinder (mehr)! Es kursieren Zahlen im Netz, dass das rund 80 bis 85% der Waisen – egal ob in Nepal, Kambodscha oder in Ghana beispielsweise – betrifft. Sie haben mindestens einen lebenden Elternteil, die zumeist aus marginalisierten Dörfern kommen. Den Eltern wurden falsche Versprechungen von einem besseren Leben ihrer Kinder mit guten Bildungsmöglichkeiten gemacht, wenn sie sie freiwillig in solche Einrichtungen geben. Es soll laut Medienberichten aber auch Fälle gegeben haben, in denen Kinder mit Gewalt ihren Familien entrissen wurden. Diese Kritik ist sehr schwerwiegend und schlecht zu überprüfen. Sie stellt sicher auch nicht den Normalfall dar, sollte aber auch nicht abgetan werden. Da wir nicht unbedingt wissen, ob diese Kinder freiwillig oder nicht freiwillig da sind und ob sie noch lebende Eltern haben, rate ich dringend davon ab, eine Unterstützung solcher Missstände zu riskieren.
Denn das passiert, wenn Volontäre unwissend solche Programme absolvieren. Sie machen die Waisenhäuser noch attraktiver, sorgen für eine Expandierung des lukrativen, aber verheerenden Geschäfts und normalisieren den Zugang zu verwundbaren Kindern.
Auch hier möchte ich nicht alle Projekte über einen Kamm scheren. Mit Sicherheit gibt es viele Waisenhäuser, die echte Waisen beherbergen und eine sinnvolle, pädagogische Arbeit leisten. Es ist jedoch sehr schwer, die Qualität der Freiwilligenprogramme einzuschätzen und die Faktenlage zu durchdringen. Als Alternative schlage ich daher vor, die Dörfer selbst, aus denen die Kinder kommen, zu unterstützen. Bildung ist wichtig, die Heimat und Familie aber auch. Kindern und deren Familien vor allem aus ärmeren Regionen ist viel mehr geholfen, wenn sie in ihrer Heimat auf Bildungsangebote zurückgreifen können.
Solche Projekte findest du z.B. über gemeinnützige Netzwerke und Initiativen wie thinkchildsafe.org oder ReThinkOrphanages. Einen guten Ruf hat auch beispielsweise die australische Organisation Volta Aid Foundation. Selbstverständlich findest du verantwortungsbewusste Projekte auch über den Projektfinder von freiwilligenarbeit.de.
Solltest du die Problematik mit Waisenhäusern noch einmal kompakt und visuell zusammgefasst sehen wollen, empfehlen wir dir dieses kleine Video. Möchtest du die Debatte in den sozialen Netzwerken im Blick behalten, folge dem Hashtag #StopOrphanTrips.
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