Nach meinem Abitur wollte ich erst mal reisen und die Welt entdecken, Daher entschied ich mich für einen Freiwilligendienst einer Entsendeorganisation, die weltweit Freiwillige in verschiedene Einrichtungen vermittelt. In Peru bin ich dann eher zufällig gelandet, es war mehr das Projekt, was mich begeisterte als das Land.
Ich habe meinen Feiwilligendienst in dem Projekt Q’ewar gemacht. Das liegt in der Nähe von Cusco, in einem kleinen Bergdorf namens Andahuaylillas. Da es dort kaum Erwerbsmöglichkeiten gibt und zudem Frauen oft unter häuslicher Gewalt leiden, entstand das Projekt, in welchem Frauen Waldorfpuppen herstellen, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zudem gehört zu dem Projekt ein Waldorfkindergarten für die Kinder der Frauen und andere Kinder des Dorfes.
Während meines Fluges gingen mir tausend Fragen durch den Kopf:
- Wie wird die Arbeit dort werden?
- Werden meine Spanisch-Kenntnisse ausreichen um mich zu verständigen?
- Und wie werden mich die Menschen dort aufnehmen?
Anfangs habe ich in der Strickwerkstatt gearbeitet und unter sehr perfektionistischer Anleitung Puppenschuhe gestrickt. Nach einiger Zeit habe ich dann halbtags im Kindergarten gearbeitet. Dies machte mir sehr viel Spaß, auch wenn sich ein peruanischer Kindergarten in vielem sehr von einem deutschen unterscheidet. Durch die Arbeit mit den Kindern verbesserte sich mein Spanisch schnell und ich konnte bald das Meiste verstehen. In den Werkstätten, in denen ich nachmittags arbeitete, halfen mir meine Spanischkenntnisse oft nur wenig. Denn meist sprachen die Frauen hier Quechua. Dies ist die Sprache, die die Inka vor der spanischen Eroberung sprachen. In der Filzwerkstatt konnte ich mich aber trotz Verständigungsschwierigkeiten gut einbringen, da ich auch vorher schon filzen konnte und dies auch gerne tat. So kam es, dass ich den Frauen in Workshops auch noch andere Techniken beibringen konnte.
Neben der Arbeit in Kindergarten und Werkstätten war meine Arbeit im Projekt vielfältig: Ich unterstützte eine junge gehörlose Frau, begleitete sie bei Arztbesuchen, Therapiestunden und lernte auch die Grundlagen der peruanischen Gebärdensprache, um mich mit ihr verständigen zu können.
Außerdem gab es in dem Projekt Musikunterricht für die Kinder der Frauen, hier konnte ich Flötenunterricht geben.
Auch kamen mehrere US-Amerikanische Ärztegruppen in das Dorf, um dort kostenlos die Bevölkerung zu behandeln. Hier half ich als Übersetzerin mit. Besonders spannend war es, mit ihnen in entlegene Bergdörfer zu fahren. Auf dem Weg dahin blockierten Lamaherden die Straßen und es warteten schon viele Patienten auf uns, denn ein Arztbesuch ist für die Menschen dort oft unerschwinglich. Mit meinen Spanischkenntnissen kam ich hier als Übersetzerin nicht so weit, denn die meisten Menschen sprachen dort kaum Spanisch. Doch zum Glück hatte ich auch etwas Quechua gelernt und konnte so das Wichtigste übersetzen.
Auch in meinem Dorf sprach es sich schnell rum, dass ich Quechua kann und ich wurde oft von wildfremden Menschen auf der Straße begeistert auf Quechua angesprochen, die sich selbst davon überzeugen wollten, ob es wirklich stimmt, dass eine Weiße Quechua gelernt hatte.
Weil es mir dort so gut gefiel und ich auch das Gefühl hatte, dass ein Jahr gar nicht ausreicht, um wirklich anzukommen, mich einzuleben und eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen, habe ich mich dazu entschieden, meinen Freiwilligendienst für ein weiteres Jahr zu verlängern – eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe. Denn bis ich dann wirklich engeren Kontakt zu einigen der Frauen knüpfen konnte, hat es eine Weile gedauert. Doch mit der Zeit wurde ich mehr und mehr Mitglied der Projektgemeinschaft. Meine Freizeit verbrachte ich oft mit den Frauen auf ihren Feldern, half ihnen beim Quinoa säen, Mais schälen, Kartoffeln ernten oder Meerschweinchenfutter pflücken. (Meerschweinchen gelten in Peru als Delikatesse und viele Menschen halten zu Hause welche.) Nicht selten gingen wir auch um vier Uhr morgens vor der Arbeit aufs Feld oder in die Berge, um Feuerholz zu holen, um so die heiße Mittagssonne zu meiden.
Ich wurde Patentante von mehreren Kindern und machte viele Ausflüge mit meinen Patenkindern und anderen Kindern, denn ihre Eltern haben oft nicht viel Zeit für so etwas.
Auch hatte ich die Gelegenheit etwas zu reisen und einen kleinen Teil Perus wunderschöner Landschaft kennen zu lernen. Beeindruckende Berge mit schneebedeckten Gipfeln, die einen großen Kontrast zum Dickicht im Regenwald darstellen und überall sind Inkaruinen zu finden, die einen Besuch wert sind.
Nach zwei Jahren fiel es mir schwer, dieses Land, das Dorf und die Menschen dort zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren.
Zurückblickend war der Freiwilligendienst eine sehr wichtige Zeit für mich. Ich lernte nicht nur praktische Dinge, wie Feuerholz in einer Decke auf dem Rücken tragen, traditionelle Webtechniken und Panflöte spielen, sondern viel mehr: Eine Lebensweise und Mentalität, die ganz anders ist als unsere zu verstehen. Ich habe erlebt, wie es ist, wenn man, obwohl man sieben Tage die Woche den ganzen Tag arbeitet, am Ende der Woche nicht mal mehr Geld für ein Brötchen hat. Auch ist mir bewusst geworden, wie wenig man zum Leben und auch zum Glücklich sein eigentlich braucht und bei meiner Rückkehr nach Deutschland war ich erst mal schockiert, auf welch hohem Niveau hier oft geklagt wird.
Auch habe ich in Peru gelernt, mich alleine in einer unbekannten Umgebung zu Recht zu finden, ich bin selbstbewusster geworden und habe eine zweite Heimat gefunden, denn zu dem Ort, dem Projekt und den Menschen ist im Laufe der Zeit eine enge Verbindung entstanden.
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