Internationales Workcamp

Kinder rennen zusammen über eine Wiese

Diesen Sommer habe ich für zwei Wochen ein internationales Workcamp im Albert Schweitzer Kinderdorf in Waldenburg geleitet. Das Zusammenleben in einer Gruppe mit den unterschiedlichsten Kulturen machte die gemeinsame Zeit umso spannender. Wie definiert man “typisch Deutsch” in anderen Ländern? Machen Spanier wirklich tägliche eine Siesta? Und warum finden Asiaten unser Essen immer zu salzig? Die Verständigung mit Händen und Füßen bei so manchen Sprachproblemen, das Erleben von Kulturunterschieden in vielen Situationen, das Erlernen neuer Sprachen oder die gemeinsamen Ausflüge in die Umgebung – langweilig wurde uns während des Workcamps bestimmt nicht…

„ A place where I could imagine to spend a lifetime!“

Ein internationales Workcamp – das ist ein Zusammentreffen junger Erwachsener aus den unterschiedlichsten Ländern, die alle die Motivation mitbringen, sich gemeinsam und freiwillig für ein Projekt zu engagieren. Internationale Workcamps finden auf der ganzen Welt in ganz unterschiedlichen Einrichtungen statt, z.B. im Bereich Bildung, Naturschutz, Kultur Renovierung/Restaurierung oder Soziales.

Interkultureller Austausch im Albert Schweitzer Kinderdorf

Kinder spielen zusammen in der Natur

Am 01.07.2015 sollte es also für unsere Gruppe losgehen. Treffpunkt: Das Albert Schweitzer Kinderdorf in Waldenburg, ein kleiner und idyllischer Ort in der Nähe Schwäbisch Halls in Süddeutschland.

Das Albert Schweitzer Kinderdorf in Waldenburg besteht seit 57 Jahren und bietet Kindern ein neues Zuhause, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern wohnen können. Ein internationales Workcamp fand hier zum ersten Mal statt, in Kooperation mit der Workcamp Organisation IBG – internationale Begegnungen in Gemeinschaftsdiensten e.V.

Ich und meine Co-Campleitung waren schon zwei Tage eher angereist, um uns einen Überblick zu verschaffen und das Workcamp mit den Verantwortlichen des Kinderdorfes zu organisieren. Dann war es auch für alle anderen soweit und einer nach dem anderen erreichte früher oder später das Kinderdorf in Waldenburg. Für zwei Wochen waren wir nun gemeinsam in einem Haus des Albert Schweitzer Kinderdorfes untergebracht. Die internationale Gruppe war begeistert von diesem Ort: „Such a beautiful & peacful place full of trees and flowers.“ Gerade die Teilnehmer, die aus großen Städten kamen, wie zum Beispiel Hongkong, verglichen das hektische Leben dort mit der Idylle inmitten der Natur.

Das Leben in einer internationalen Gruppe

China, Taiwan, Korea, Italien, Türkei, Weißrussland, Spanien – diese Länder waren alle vertreten. Eine bunte Gruppe mit den unterschiedlichsten Kulturen. „So werden zwei Wochen ganz bestimmt nicht langweilig“, dachte ich mir. So war es auch. Es stellten sich schnell sehr viele Kulturunterschiede fest, die das Leben in der Gruppe umso spannender machten. Diskussionen über die deutsche Pünktlichkeit, Fleischkonsum, die Notwendigkeit einer Siesta am Nachmittag, das Essen (deutsches Essen ist zu salzig!) oder Autofahren (Ja, man muss sich anschnallen in Deutschland!), standen immer wieder auf dem Tagesprogramm.

Volunteers und Kinder umarmen sichIn erster Linie geht es bei einem Workcamp um den interkulturellen Austausch und die Gemeinschaft. Man lebt zusammen für zwei Wochen. Dazu gehören natürlich auch Aufgaben wie Einkaufen, Kochen und Putzen. Jeden Tag gab es von einem anderen Teilnehmer ein nationales Gericht. Meistens stehen die Workcamps auch unter einem bestimmten Thema, mit dem sich die Gruppe dann beschäftigt. Bei uns drehte sich alles um das Thema „Think global, eat local“. Dementsprechend standen auch Einheiten auf dem Programm, in denen wir uns mit lokaler Produktion, Fair Trade, Bio-Märkten und der Reduzierung von Fleischkonsum auseinander gesetzt haben. Natürlich ging das am besten ganz praktisch.

Gemeinsam mit Herr Klewer und Frau Rehle, unseren Ansprechpartnern im Kinderdorf, haben wir viele Aktionen und Ausflüge rund um das Thema unternommen. So kochten sie am ersten Abend mit der Gruppe ein traditionelles schwäbisches Menü mit Maultaschen, selbstgemachten Spätzle und Schupfnudeln. Diese deutsche Kost war für viele sehr gewöhnungsbedürftig, aber das gemeinsame Kochen kam bei allen super an. Passend zum Thema hatten wir auch einen Termin bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, wo wir einen Vortrag über die regionale Produktion und eine Führung durch eine Gewürzmanufaktur genießen durften. Außerdem gab es Ausflüge nach Schwäbisch Hall, Rothenburg oder zur Comburg, ein ehemaliges Benediktinerkloster, um auch den internationalen Teilnehmern ein wenig deutsche Kultur und Geschichte mitzugeben. An den freien Nachmittagen standen das gemeinsame Kennenlernen, Ausflüge zum See, Volleyball und Fußball auch mit den Kindern aus dem Kinderdorf auf dem Programm. An einem sehr heißen Nachmittag wurde sogar eine Wasserrutsche aufgebaut, ein großartiges Erlebnis für alle! Genauso wie die gemeinsame Erkundung des angrenzenden Waldes bei Nacht, inklusive Hochsitz-Besteigung und Wildschweinen. Auch gemeinsame Grillabende und Pizzabacken in einem traditionellen Backhaus des Kinderdorfes zählten zu den Highlights.

Mithilfe im Albert Schweitzer Kinderdorf

Hinter dem Begriff „Workcamp“ versteckt sich auch das Wort „work“, also „die Arbeit“. Neben all den gemeinsamen Ausflügen kam natürlich auch diese nicht zu kurz. Angepackt haben wir bei sämtlichen Arbeiten im Kinderdorf, die so anfielen. An einem Wochenende gab es im Kinderdorf ein Sommerfest, wo wir zum Beispiel bei vielen Auf- und Abbauten mitgeholfen haben. Auf dem Sommerfest selbst hatte unsere Workcamp Gruppe ihren eigenen kleinen Stand, wo alle Teilnehmer internationale Leckereien und Traditionelles aus ihren Ländern präsentieren konnten.

In der zweiten Woche gab es in Waldenburg ein Feuerwehrfest mit Festumzug, an dem auch das Albert Schweitzer Kinderdorf teilgenommen hat. Passend zum Thema Albert Schweitzer durften wir in der Gruppe unsere eigenen Ideen verwirklichen und einen Umzugswagen bauen. Natürlich sind wir in der Parade dann auch mitgelaufen, was für die internationalen Teilnehmer ein großes kulturelles Highlight war.
Kinder strecken ihre bunt angemalten Hände nach obenAnsonsten haben wir hier und da mitgeholfen, z.B. bei Renovierungsarbeiten. Die Arbeit war sehr bunt und abwechslungsreich und auch die Mitarbeiter im Kinderdorf waren gut gelaunt und immer für einen Scherz zu haben. Wir halfen auch, ein traditionelles kleines Ferienhaus des Albert Schweitzer Kinderdorfes winterfest zu machen. Da dort nur mit Holz geheizt wird, haben wir Holzscheide zunächst auf einen Anhänger geladen, diese zum Ferienhaus gefahren und dort in einer Scheune gestapelt. Ganz schön anstrengend, aber mit Teamwork schafft man alles! Danach gab es dann ein Päuschen und wir durften uns im Haus aus dem Jahre 1898 etwas umschauen. Die tiefe Deckenhöhe des alten deutschen Hauses sorgte bei so machen Teilnehmern für Schwierigkeiten und Verwunderung.

Ein Workcamp – was bringt das?

Ein Zusammenleben in einer internationalen Gruppe kann ich nur jedem raten. Die Teilnehmer kommen alle mit der Motivation, sich durch Freiwilligenarbeit in dem jeweiligen Projekt zu engagieren. Sie wollen mehr erfahren über die einheimische Kultur und bringen eine Offenheit und Neugierde gegenüber Menschen anderer Nationalitäten mit. Das macht das Gruppenleben ganz wahnsinnig spannend. Ein solcher interkultureller Austausch bringt vor allem auch sehr viel für die eigene Kultur und Persönlichkeit. Einerseits entdeckt man so viele Kulturunterschiede, man wird konfrontiert mit Dingen und Verhaltensweisen, die einem vielleicht erst einmal fremd sind. Andererseits lernt man auch sehr viel darüber, wie andere Nationen über unsere eigene Kultur denken. Beispielsweise ist das Bild eines Deutschen in Weißrussland eine eher kleinere Person mit rundem Gesicht, hellbraunen Haaren und dicker Nase. Und natürlich immer pünktlich! Außerdem kann man festhalten, dass deutsches Bier, insbesondere das dunkle „Mohrenköpfle“ aus der Region, international gut ankommt. Warum es Wasser mit Sprudel in Deutschland gibt, ist hingegen jedem noch immer ein Rätsel. Begeistert waren alle jedoch von unserem deutschen Pfandflaschensystem, insbesondere die Teilnehmer aus den asiatischen Ländern standen im Supermarkt mit großen Augen davor. Durch solch eine unterschiedliche Blickweise auf manche Dinge lernt man als Deutscher noch einmal Einiges viel mehr zu schätzen.

Ansonsten hilft ein internationales Workcamp, deine Sprachkenntnisse zu verbessern, denn man unterhält sich ausschließlich auf Englisch. Außerdem habe ich gelernt, wie ich meinen Namen auf Koreanisch schreibe und dass die chinesische Sprache ganze acht verschiedene O-Laute hat. Das gemeinsame Üben in der Gruppe war sehr lustig. Dann konnte ich immer wieder feststellen, dass einige Probleme damit haben, deutsche Ironie und Humor zu verstehen und für Spanier ist eine alltägliche Siesta überlebenswichtig. Dass Deutsche selbst in der Mittagshitze arbeiten und die Zeiten nicht einfach auf abends verschieben, traf auf völliges Unverständnis. Auch die unterschiedlichen internationalen Gerichte jeden Tag habe ich sehr genossen. Sie waren manchmal recht gewöhnungsbedürftig, aber immer sehr lecker! Ich denke, auch die anderen Teilnehmer konnten eine Menge aus dem Workcamp mitnehmen. Auf jeden Fall hat jeder bleibende Eindrücke und neue Freunde gewonnen.

¡Adiós!,Ciao, ,再见, до свидания, zài jiàn, 안녕, güle güle!

Zwei Wochen leben und arbeiten in einer internationalen Gruppe. Diese zwei Wochen gingen einfach viel zu schnell rum. Am Ende waren sich alle einig: „Staying a little bit longer would be nice.“ Man hatte neue Freunde gewonnen, die sich nun wieder auf der ganzen Welt verteilten. Und auch all die Menschen aus dem Kinderdorf, die uns so herzlich aufgenommen hatte, würde jeder vermissen. Der Abschied viel allen sehr schwer und nur ungern verließ jeder das Workcamp in Waldenburg. Aber wer weiß, bestimmt sieht man sich bald irgendwo wieder!

 

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